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Leichtmatrosen. Der Film. Am 12.5.2017 in der ARD.

Der Film ist fertig – und er ist großartig geworden. Die drei Film-Leichtmatrosen Golo Euler, Stefan Szász und Gabriel Merz passen perfekt, Susanne Bormann ist eine hinreißende Cora, und überhaupt sind Stimmung und Thema des Romans von Drehbuchautorin Silja Clemens und Regisseur Stefan Hering (und den vielen anderen Beteiligten) exzellent eingefangen. Ich hatte beim Screening am 8. April in Schwäbisch Gmünd großen Spaß. Riesigen Spaß.

Und Ihr könnt das auch, wenn Ihr wollt. Am Freitag, dem 12. Mai 2017, um 20.15 Uhr in der ARD.

Hier ist der Trailer:

Leichtmatrosen – der Trailer

(Update: Die Leichtmatrosen schippern immer mal wieder durch die Kanäle, dritte wie erste. Und dann sind sie für eine Weile in den Mediatheken ladbar. Wer über Sendetermine informiert werden will, kann sich z.B. bei „TV-Wunschliste“ anmelden und Sendungsnamen hinterlegen, dann kommt automatisch eine Mail, sobald der Wiederholungstermin ansteht!)

Zehn.

Heiliges Huhn. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, als ich im Chefbüro des Verlags saß und Hände schüttelte, um das Schicksal meines ersten Romans zu besiegeln. Nein, es war nicht gestern, sondern vor mehr als dreizehn Jahren. Ungefähr gestern (plusminus drei, vier Tage) kam das Paket mit den Belegexemplaren meines zehnten Romans. Ab dem 21. Oktober 2016 ist er im gepflegten Handel erhältlich, als edel ausgestattete Klappbroschur: LANDEIER.

Zeit, mit ein paar Traditionen zu brechen, aber nicht mit allen. In „Landeier“ gibt es gleich zwei Ich-Erzähler. Der gescheiterte Großstadtjournalist Sebastian Kunze ist, wenn man so will, eine negative Hauptfigur, seine Frau Melanie, Erzähler Nummer zwei, möglicherweise eine positive. Das Buch spielt im herrlichen Spreewald, diesem pittoresken, sehens- und besuchenswerten Gurkenacker Gebiet südöstlich von Berlin. (Spaß beiseite. Ist wirklich schön da, und die Leute sind auch schrecklich nett.)

Hier die offizielle Inhaltsangabe:

Es ist das Paradies.
Es ist die Hölle.
Man nennt es Landleben.

Sebastian Kunze ist als Großstadtjournalist gescheitert. Er landet mit Frau und Tochter in der brandenburgischen Provinz, denn Melanie ist Psychotherapeutin, und auf dem Land gibt es, was sie braucht: Einen Kassensitz und therapiebedürftige Menschen. Doch die ländliche Realität zwischen Gurkenständen und Landgaststätten hält für das Paar einige Überraschungen bereit. Melanie traut sich bald kaum mehr auf die Straße – wegen all der «Bescheuerten». Sebastian hingegen lernt die Überschaubarkeit des neuen Lebens zu schätzen …

Lest selbst! Und: Viel Spaß dabei! Vielleicht sehen wir uns bei einer Lesung.

Leinen los für den „Leichtmatrosen“-Film!

IMG_1348Am 17. August 2016 ist es so weit – der offizielle Drehstart für die Verfilmung meines achten Romans „Leichtmatrosen“ (2013)! Nach nur knapp drei Jahren Vorbereitungszeit, was übrigens ziemlich sportlich ist, bringt die „Lichtblick Media“ für den Südwestfunk und die ARD/Degeto das „Roadmovie auf dem Wasser“ (also quasi ein Rivermovie <hüstel>) ins Fernsehformat, für eine Ausstrahlung zur Prime-Time voraussichtlich im Frühsommer 2017. Unter der Regie von Stefan Hering wird ein Drehbuch von Silja Clemens umgesetzt, unter anderem mit Golo Euler (Patrick), Stephan Szász (Henner), Gabriel Merz (Simon) und Susanne Bormann (Cora). Möglicherweise gibt es auch eine kurze Szene, in der ich zu sehen sein werde. Produzent ist Martin Heisler. Und außerdem arbeiten gefühlt noch zwei Millionen weitere Leute mit. Der Aufwand ist wirklich groß.

Das ist, vorsichtig gesagt, der Hammer. Aus meinem Plot und den Figuren, die ich mir ausgedacht habe, wird ein abendfüllender Spielfilm. Während der vergangenen drei Jahre habe ich, wann immer ich darauf angesprochen wurde, gesagt, dass ich das sowieso erst glaube, wenn ich’s im Fernsehen sehe. Okay, ich erlaube mir, es jetzt schon zu glauben. Und mich zu freuen. Mich ordentlich zu freuen. Nein, außerordentlich. Äußerst außerordentlich.

Feinkörnig!

„Veränderung bedeutet, dass man Halbgutes für Ungewisses opfert“

Dieser Satz stammt von Uwe Fielder, der Hauptfigur meines neunten Romans „Nachttankstelle“. Seit Ende August (2015) ist das Buch auf dem Markt, und damit hat wieder einmal diese äußerst merkwürdige Zeit begonnen, in der man völlig entnervt darauf wartet, wie das neue Machwerk angenommen wird. Denn darum geht es beim Schreiben: Zu erfahren, wie die Gedanken, die man zu Papier gebracht hat, von Euch, den Lesern, aufgenommen werden. Was Ihr davon haltet, ob es Euch amüsiert, freut, ärgert, langweilt, begeistert oder deprimiert (was weit jenseits meiner Absichten läge).

Umso mehr, da dieser Roman anders ist. Wenn ich mir die Schar der Figuren, die ich ins Leben gerufen habe, so anschaue, dann scheint es eine gewisse Kontinuität zu geben, denn von Donald Kunze („Radio Nights“, 2003) über Henry Hinze („Idiotentest“, 2005), Tim Köhrey („Geisterfahrer“, 2008), Nicolas Sender („Pauschaltourist“, 2009), Falk Lutter („Sommerhit“, 2011) und Patrick Finke („Leichtmatrosen“, 2013) bis hin zu jenem Uwe Fiedler, dessen Mantra in der Überschrift vorzufinden ist, geht es immer um Typen, die nach ihrem Platz im Leben suchen, mal humoriger („Pauschaltourist“), mal substantieller („Sommerhit“). Aber in „Nachttankstelle“ nimmt die Weltsicht des Protagonisten eine deutlich prominentere Position ein. Und es geht in diesem Buch eigentlich nicht so sehr darum, was jener Uwe Fiedler an sich selbst ändern müsste, sondern eher darum, was an der Welt so falsch ist, dass man sich ändern muss, um mit ihr zurechtzukommen. Eine Leserin merkte an, dass es fast schon ein „philosophisches Buch“ wäre – womit ich einverstanden bin, vom Adverb „fast“ vielleicht abgesehen.

Was ich sagen will (keine gute Einleitung, ich weiß, aber hier mal passend): Es interessiert mich sehr, wie Ihr diese Veränderung wahrnehmt. Womit ich keineswegs meine, dass die bisherigen Romane halbgut waren, was ich ohnehin nicht zu beurteilen habe. Sondern schlicht, ob Euch das gefällt, wie die Geschichte von Uwe Fiedler erzählt wird. Weil das die Frage ist, die mich umtreibt, seit ich „Ende“ unter das Manuskript geschrieben habe. Also, meldet Euch. Meine Mailadresse findet Ihr im Impressum. Danke!

Herzlich,
Tom

Ab August 2015 wird nachts getankt

Nein, dieser Roman wird keine Reminiszenz an jene Zeiten, als man sich des Nachts, wenn die Tankanzeige „Running On Empty“ anzeigte, noch eine Tankstelle suchen musste, die geöffnet hatte. „Nachttankstelle“ spielt in der Jetztzeit und in Berlin, genauer: In Neukölln. Jedenfalls überwiegend.

Das Buch handelt von Uwe Fiedler, 38, chronisch migränekrank. Er ist ein Gutmensch im positiveren Sinn des Wortes, leider aber auch ziemlich lethargisch und allgemein veränderungsscheu. Zehn Jahre hat er mit Ulrike zusammengelebt, aber das ist vorbei, und nun muss er wieder von vorne anfangen, oder eigentlich von hinten, denn es verschlägt ihn aus dem possierlichen Berlin-Friedenau nach Neukölln. Dort lernt er die mysteriöse Tresenkraft Jessica kennen, in die er sich verliebt, und nachts, an der Tankstelle, wo Fiedler jobbt, den Hedonisten Dominik Matuschek, der zuerst sein Mentor wird, dann aber ziemlich schnell sein Widersacher.

In meinem immerhin schon neunten Roman geht es um Freundschaft, Liebe und all diese Dinge, um die es ohnehin immer geht, übrigens auch in anderen Romanen, aber vor allem um Vertrauen, Ehrlichkeit und die Art, wie Menschen miteinander umgehen. Gentrifizierung spielt eine wichtige Rolle, es gibt eine Prise Verschwörung und eine Wagenladung origineller Figuren, wie ich meine. „Nachttankstelle“ ist witzig, lakonisch, manchmal ziemlich nachdenklich und insgesamt ein Buch, auf das hoffentlich nicht nur ich mich äußerst freue. Es hat jedenfalls großen Spaß gemacht, diesen Roman zu schreiben, der einerseits sicher recht liehrtypisch ist, dann aber auch wieder nicht.

Schaut selbst.

Ab August 2015 im gepflegten Handel. Morgens, mittags, abends, gerne aber auch nachts.

Und: Das Tanken nicht vergessen!

(Bild aus der Verlagsvorschau. Die könnt Ihr hier herunterladen.)

Über eBooks

Seit ein paar Wochen tobt ein Streit im Netz, von dem „normale“ Leser möglicherweise kaum etwas mitbekommen haben. Ein Buchgestalter, der u.a. für den Suhrkamp-Verlag tätig ist, hat im Blog des Verlags einen überwiegend satirischen Text veröffentlicht, in dem er mit digitalen oder digitalisierten Romanen, gemeinhin „eBooks“ genannt, konsequent abrechnet. Der Mann, dessen Namen zuvor höchstens Brancheninsider kannten, ist in einigen Schriftsteller- und Verlagskreisen binnen kurzer Zeit zum Synonym für Technikfeindlichkeit, Rückschrittlichkeit, gar Dinosauriertum geworden. Dabei sagt er in diesem Text eigentlich nur: Ich mag eBooks nicht. Sie sind doof und hässlich, zudem sind sie mit vielen Nachteilen behaftet – und sie zerstören etwas. Ich lese lieber richtige Bücher. Ich mache lieber richtige Bücher. Der Autor hat das ziemlich eloquent und bissig getan; der Text ist wirklich lesenswert.

Vor allem in Kreisen, die den vermeintlichen Siegeszug des Elektrobuchs begrüßen und aktiv zu nutzen versuchen, hat diese Wortmeldung für einige Aufregung gesorgt. So genannte „Selbstveröffentlicher“ (neudeutsch „Selfpublisher“, das sind Autoren, die Bücher in Eigenregie publizieren) und eBook-Verlage reagierten spöttisch, zuweilen beleidigend, in fast allen Fällen aber mindestens energisch ablehnend. Was genau genommen wenig verwundert. Nicht wenige Menschen sahen sich sogar genötigt, in Blogs, bei Facebook und sonstwo seitenlange Gegenreden zu veröffentlichen, begleitet von Applaus und sarkastischen Kommentaren, die allesamt ins gleiche Horn bliesen: Das eBook ist die Zukunft, und wer etwas anderes sagt, hat mindestens keine Ahnung. Eigentlich sollte sich derjenige lieber gleich ein Grab schaufeln, idealerweise in direkter Nachbarschaft zu der Stelle, an der gedruckte Bücher begraben (sein) werden.

 

Wer Bücher einfach nur liest, den mag diese Diskussion kaum interessieren.  Tatsächlich ist sie nicht durch den oben genannten Beitrag ausgelöst worden. Das eBook ist nicht nur für die Leser eine Innovation, sondern auch und vor allem für Autoren – und ganz besonders für jene Autoren, die nicht bei Verlagen veröffentlichen können oder wollen, die das Verlagswesen für verkrustet und wenig zukunftsfähig halten. Das bereits erwähnte „Selfpublishing“, also die Veröffentlichung von Texten ohne Einbeziehung eines klassischen Verlags, boomt durch dieses Medium, denn es kostet fast nichts, Romane und Kurzgeschichten in eBook-Formaten zu publizieren, was zudem sehr viel schneller geht als der „herkömmliche“ Weg, bei dem es manchmal zwischen Manuskriptherstellung und Veröffentlichung ein, zwei Jahre, in einigen Fällen noch länger dauern kann. Bei meinem letzten Roman waren es zehn Monate.

Das Medium ist übrigens prinzipiell so neu auch wieder nicht, denn Texte auf Computern zu erstellen und zu lesen, das gehörte fast zu den ersten Dingen, die man mit Rechnern machen konnte. Aber die leichtgewichtigen eBook-Reader mit ihren energiesparenden, hochauflösenden, papierähnlichen Displays, verbunden mit der Möglichkeit, in Sekundenschnelle an Bücher zu kommen, haben diese Entwicklung auch auf Konsumentenseite ankommen lassen – mehr oder weniger. Seitdem das so ist, wird energisch über das Für und Wider elektronisch veröffentlichter Bücher diskutiert. Ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt in dieser Diskussion ist die Tatsache, dass elektronische Texte – genau wie Musik und Filme – von selbsternannten „Piraten“ auf Downloadplattformen verteilt werden, ohne dass die Autoren oder Verlage hierfür vergütet werden (zuweilen zahlen allerdings die Konsumenten trotzdem). Der im November 2013 veröffentlichte „Gutenberg Piracy Report 3.0“ kommt zur Erkenntnis, dass auf ein legal erworbenes Elektrobuch zehn (!) illegale kommen  – und zwar hierzulande. Die Rechteinhaber erhalten also in nur einem von elf Fällen Geld für ihre Investition und Arbeit. Ob auch alle Verlage, Dienstleister und Konsumentenportale wirklich jede – kaum zu kontrollierende – Digitalkopie mit denjenigen abrechnen, die an dieser Stelle zu berücksichtigen wären, ist eine ganz andere Frage, die kaum jemand beantworten kann. Digitale Kopien sind vom Original nicht zu unterscheiden, ohne Aufwand herzustellen und praktisch nicht verfolgbar. Ob also nur hundert oder doch zehntausend Kopien eines nicht kopiergeschützten (DRM-freien) Romans verteilt und dann auch ordnungsgemäß abgerechnet worden sind, weiß lediglich der berühmte Geier. Es ist, um es mal vorsichtig auszudrücken, eine Vertrauensfrage. Die uns hier aber nur am Rande beschäftigen wird.

 

Das eBook ist enorm platzsparend und sehr schnell verfügbar. Selbst ein billiger Reader bewältigt eine große Datenmenge, so dass man im Prinzip jederzeit seine gesamte Bibliothek mit sich herumschleppen kann. Wer wie ich im Urlaub viel liest und regelmäßig beim Einchecken schwitzen muss, weil der Koffer nicht die erlaubten zwanzig Kilo, sondern einundzwanzigeinhalb wiegt (weil man vielleicht doch endlich dazu kommt, zusätzlich „Der Mann ohne Eigenschaften“, „Unendlicher Spaß“ und „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zu lesen, was man schon seit Jahren vor sich herschiebt), weiß diesen Vorteil zu schätzen. Wer plötzlich von der letzten Seite des aktuellen Romans überrascht wird und nicht rechtzeitig für Nachschub gesorgt hat, wird auch den Vorteil zu schätzen wissen, per Klick umgehend an neues Material zu kommen. Oder wenn man soeben von einem tollen Roman gehört hat, den man unbedingt sofort lesen muss – prima. eBooks verrotten oder vergilben nicht. Man kann zig Texte parallel lesen, ohne ständig nach ihnen suchen zu müssen – so lange man weiß, wo der Reader ist. eBooks können multimediale Inhalte bieten (allerdings ist mir das noch nie in wirklich überzeugender Form begegnet), man kann sie kommentieren, ohne sie zu ruinieren, und das „social reading“ ist sicherlich auch eine absolut großartige Angelegenheit, wenn man darauf steht, sich ständig in die Lektüre quatschen zu lassen. Aus Sicht der oben bereits genannten Autoren ist natürlich genial, beliebige Texte hurtig veröffentlichen zu können, ohne mühselig bei Verlagen Klinken putzen zu müssen, ohne sich monatelange Redaktionsphasen geben zu müssen, ohne von den Vertretern oder Ausstattern kurz vor der Veröffentlichung neue Romantitel oder seltsame Cover untergejubelt zu bekommen. Ganz zu schweigen davon, dass man auf diesem Weg deutlich mehr verdient, zumindest theoretisch. Ich habe mich im Rahmen einiger Recherchen intensiv damit beschäftigt, was auf diesem Weg überwiegend auf den Markt kommt, und, ja, es sind tatsächlich recht beliebige Texte, an denen die meisten Autoren, die so verfahren, absolut nichts verdienen. Aber auch dieser Aspekt ist nicht wirklich wichtig.

 

Genug der Vorrede.

 

Denjenigen, die eBooks für wenigstens suboptimal halten, wird in aller Regel vorgehalten, dass sie die „Zeichen der Zeit“ nicht erkennen würden. Sie werden mit Maschinenstürmern und Dinosauriern verglichen. Nur der Vollständigkeit halber: Dinosaurier sind nicht ausgestorben, weil sie eine nicht mehr lebensfähige Art waren. Es gab einen verdammten Meteoriteneinschlag, der übrigens auch andere Lebensformen vom Planeten getilgt hat. Der Dinosauriervergleich ist falsch, wenn man damit sagen will, dass Größe, geringe Flexibilität oder ein irgendwie gearteter Konservatismus irgendwann ins unvermeidliche Verderben führen. Gegen Meteoriteneinschläge können auch noch so flinke Kaulquappen nichts ausrichten. Davon abgesehen gibt es in unserer Welt jede Menge „Dinosaurierstrukturen“, die Jahrhunderte, gar Jahrtausende überlebt haben und immer noch recht vital daherkommen. Dazu gehören nicht nur einige Nationen und auch Konzerne, sondern beispielsweise auch die Religionen und viele andere tradierte Verhaltensweisen, die sich einfach nicht ausmerzen lassen, obwohl sie kaum dem Zeitgeist entsprechen. Tatsächlich ist der Zeitgeist sehr viel kurzlebiger.

 

Ich bin eigentlich kein konservativer Mensch; wer meine Texte oder mich persönlich kennt, wird eher das Gegenteil vermuten. Ich halte Konservatismus aber nicht für prinzipiell schlecht, denn es geht hierbei darum, das Gute zu bewahren und das weniger Gute kritisch zu beleuchten, bevor man es akzeptiert – einfach gesagt. Der Vorwurf, konservativ zu sein, ginge mir aus diesem Blickwinkel am Rosettenhalter vorbei. Das tun allerdings, nebenbei bemerkt, die meisten Vorwürfe. Man muss sich grundsätzlich niemals vorwerfen lassen, irgendwie zu sein. Das Recht, irgendwie zu sein, hat jeder Mensch.

 

Wir leben, was kaum jemand bezweifeln dürfte, in einer Zeit, in der technische Entwicklungen rasant im Alltag ankommen, ohne dass ausreichend Gelegenheit verbleibt, sie zu hinterfragen. Tatsächlich leben wir nicht in der ersten Zeit, in der das der Fall ist, aber die Rasanz der Innovationszyklen hat die kritische Würdigung von Entwicklungen unterm Strich zu einem Ding der Unmöglichkeit gemacht. Das Netz ist zum weltumspannenden Faktum geworden, bevor überhaupt jemand verstanden hat, was die Folgen sein könnten. Vernetzung ist allgegenwärtig, der Missbrauch dieser Technologie allerdings ebenso. Das Internet hat fraglos enorme Vorteile, aber auch grandiose Nachteile, gegen die scheinbar nichts mehr zu machen ist, weil das Internet gelebte Realität ist (was in meinen Ohren nach einem Oxymoron klingt). Tatsächlich aber ist, glücklicherweise, auch in dieser Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen.

 

So, dann kommen wir mal zum eBook zurück.

Ich halte, um ehrlich zu sein, schon den Begriff für falsch, denn das eBook ist kein Buch, ob man nun einen Vokal davorstellt oder nicht. Ein Buch ist mehr als nur der Text (der oben genannte Blogautor hat auf den originellen Begriff „Content“ verwiesen), der darin enthalten ist. Richtiger hielte ich Begriffe wie „eNovel“ oder „eText“, obwohl ich Fußnägelfäule bekomme, wenn ich sie ausspreche. Tatsächlich aber muss man wohl Termini erfinden, wenn es um derartige Medienwechsel geht – schließlich wird ja auch vom Hörbuch gesprochen (obwohl es eigentlich ein Sprechbuch ist). Die Bezeichnung „eBook“ hat aufwertenden Charakter, weil sie davon ablenken soll, dass binäre Rohdaten – im Extremfall wirklich nur der Text als Sammlung von Bytes, die Buchstaben repräsentieren – im Moment des Lesens aufbereitet werden. Das eBook, wie wir es derzeit kennen, ist kein konkretes Produkt, sondern eine Chimäre, die sich unterschiedlichen Konsumenten unterschiedlich präsentiert. Umgekehrt also wird hier wirklich nur der Inhalt, der rohe Text gekauft und gelesen, meistens ergänzt um eine Grafik, die das Cover zeigt, fertig. Was, zugegeben, auch bedeutet, dass sich Leser mit Sehschwäche große Schriftarten einstellen können, und das ist eine prima Angelegenheit, wenn die Brille verlegt hat oder das Augenlasern zu teuer ist. In der Konsequenz wäre übrigens wünschenswert, wenn sich Menschen mit Sehschwäche im Auto einstellen könnten, in welcher Vergrößerung die Realität um sie herum dargestellt wird. Nein, ich mache mich nicht über Menschen mit Behinderungen lustig. Ich hinterfrage lediglich ein Argument.

 

Diese Rohheit des vermeintlichen Endprodukts stört mich. Wenn ich eBooks lese, was ich tatsächlich manchmal mache (im Urlaub und wenn es den Roman nicht als gedruckte Fassung gibt), kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, ein halbgares, unfertiges, beliebiges Produkt zu konsumieren. Dieser Aspekt gehört zu den gefühlten, subjektiven Nachteilen dieser Technik, weshalb er nicht diskursfähig ist; möglicherweise hat er mit Konservatismus zu tun. Viele andere Aspekte, die diesem Bereich entstammen, sind schon häufig genannt worden. Es gibt weitere, die in Graubereiche fallen: eBook-Bibliotheken sind unübersichtlich (da geht es ihnen wie den Fotosammlungen, die viele von uns auf ihren Rechnern horten, ohne je die Zeit zu finden, die Spreu vom Weizen zu trennen und/oder Ordnung zu schaffen). Mit dem Reader ist erstmal die gesamte Bibliothek weg, falls er gestohlen wird oder verloren geht. Mit eBook-Readern sollte man nicht am Pool die Liege reservieren, in Küchen, Badezimmern und sonstigen Feuchträumen sind sie latent gefährdet. Reader und damit eBooks brauchen Strom und funktionieren nicht mehr, wenn der Akku leer ist (gedruckte Bücher im Gegensatz zu Film- und Musikkonserven allerdings durchaus). DRM-geschützte Elektrobücher können nicht portiert werden, zuweilen ist man einem Anbieter auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, der auch noch hinterrücks die Daten kontrollieren und manipulieren kann. Die eBook-Bibliothek ist eine Datensammlung, die all die Nachteile hat, die Datensammlungen haben können. Man ist als Leser kontrollierbar und kann überwacht werden. Man kann eBooks nicht verleihen oder verschenken, und man darf es übrigens auch nicht. eBooks können gefälscht oder verändert sein. Beim Gerätewechsel muss man ganz schön aufpassen. eBooks erlauben es, Verlage und Autoren im großen Stil zu betrügen. Auch für das Bereitstellen und die Verteilung von eBooks müssen ökonomischer Aufwand und ökologisch kritikwürdige Ressourcennutzung betrieben werden.

 

Gedruckte Bücher nehmen Platz weg. Sie verstauben. Man kann in ihnen keine Volltextsuche durchführen und sie nicht miteinander verlinken. Sie sind nicht reproduzierbar, wenn man sie beschädigt hat. Sie werden mit der Zeit ein bisschen hässlicher. Es ist schwer, Kommentare wieder zu löschen, die man in ihnen angebracht hat. Bücher müssen gelagert, geliefert oder irgendwo abgeholt werden. Für Bücher muss man Bäume fällen, der Herstellungsprozess ist aufwendig. Gedruckte Bücher, die keiner kauft, müssen eingestampft werden. Bücher können ausverkauft sein. Wenn man eine Sehschwäche hat, muss man beim Lesen ein Hilfsmittel verwenden. Gedruckte Bücher können beim Lesen keine Musik ab-/einspielen, Wikipedia-Einträge zu einem Fremdwort einblenden, und wenn man einem anderen Menschen, der das gleiche Buch liest, mitteilen will, an welcher Stelle man gerade ist und was man davon hält, muss man einen ziemlich Aufwand betreiben. Ein Buch, das auf Nichtgefallen stößt, muss man verschenken, zur Mülltonne oder ins Antiquariat bringen.

 

Ein gedrucktes Buch wird selten gestohlen. Es ist authentisch.  Es wirbt für sich als Produkt, verleiht dem enthaltenen Text eine Wertigkeit, die es vermitteln kann. Ein Buch verbindet textuelle mit visueller Ästhetik. Ein Buch hat ein Wesen. Es funktioniert für sich, ganz ohne Hilfsmittel, völlig unkontrollierbar vom Hersteller oder Lieferanten. Es verrät beim Lesen nichts über mich. Ein Buch ist intim. Es kann nur sehr aufwendig kopiert werden. Es sieht immer gleich aus, nämlich so, wie Autor und Verlag das wollten. Man kann es verleihen, verschenken, verlieren, verdammen und verflucht gut finden. Ein Buch ist das physische Filtrat der vielen Arbeit, die nötig war, um es zum Buch zu machen. Ein Buch ist ein Erlebnis. Es wird zum Bestandteil meines Lebensraums, wenn ich es ins Regal stelle, wo ich es jederzeit sehen, darin blättern, mich erinnern kann. Ein Buch zeigt mir, nicht nur ein beliebiger Text zu sein, sondern etwas, an dessen Qualität mehrere Menschen glauben. Das gedruckte Buch repräsentiert auch – wenigstens teilweise – einen Wert. All das kann ein eBook-Reader höchstens simulieren, aber meistens gelingt es ihm nicht.

 

Ein Verwandter von mir ist an 200 Tagen des Jahres unterwegs. Bis vor ein paar Monaten hat er sich in letzter Sekunde in mäßig sortierten Flughafenbuchhandlungen mit Lektüre eingedeckt. Ein Freund von mir war nie begeisterter Leser, weil er meist ratlos in Buchhandlungen stand, selten die richtigen Titel fand. Seit beide eBook-Reader besitzen, lesen sie häufiger, verschwenden kaum noch Zeit mit Romanen, die sich nach ein paar Seiten als eher blöd herausstellen; mein Verwandter findet auch unterwegs neue Titel, sogar im Flugzeug, mitten über dem Atlantik, dank WLAN in der Businessklasse bei Lufthansa. Geil.

Und unstrittig.

Übrigens lesen beide überwiegend Bestsellerlisten-Gebrauchsliteratur.

 

Als Leser betrachte ich eBooks auf genau diese Weise – ich mag sie nicht, aber sie manchmal sind praktisch (bei meinem iPad beispielsweise ist es genau umgekehrt). Es ist nicht das gleiche, einen gedruckten Roman in den Händen zu halten oder auf einem Reader durch aufbereitete Daten zu scrollen. Ich finde das eine – kurz gesagt – angenehmer als das andere, wähle das andere jedoch zuweilen aus ganz pragmatischen Erwägungen heraus. Die Angelegenheit hat zwar auch eine emotionale – meinetwegen sogar konservative – Komponente, aber gibt drastische Unterschiede etwa zum bereits mehrfach erfolgten Medienwechsel im Musikbereich. Konservierte Musik kommt überhaupt nicht ohne Abspielgerät aus, gedruckte Texte tun dies durchaus. Der Übergang zur Musikdigitalisierung hat die Qualität im heimischen Bereich gravierend ansteigen lassen, obwohl einige Puristen immer noch behaupten, damals, auf ihren schweineteuren High-End-Anlagen, hätten sich Vinylschallplatten viel besser angehört. Das mag sogar stimmen, aber nach dem dreißigsten Abspielen waren sie dafür auch im Eimer, und Vinyl im Auto oder beim Joggen ist ganz schrecklich unpraktisch. Allein, konservierte Musik erlebt ihre Audioreinkarnation einzig durch die vorhandenen Abspielgeräte, wobei das Hörerlebnis direkt von der Qualität dieser Geräte abhängt. Gedruckte Bücher machen in einem feudalen Schloss genau den gleichen Eindruck wie in einer verwahrlosten Sozialbauwohnung am Rand von … Jena. Und zwar ganz ohne Strom. Und sie sind einfach schöner als eBooks.

 

Dieser Argumentation kann man folgen oder ihr widersprechen. Man kann auch nach China fahren, um ein paar Getreidesäcke umzuwerfen. Soll doch jeder die Form wählen, die ihm am besten gefällt. Richtig.

 

Warum also dieser Streit?

 

Er hat, kurz zusammengefasst, zwei Hintergründe. Der eine lässt den Vergleich zur Musikindustrie wiederum zu: eBooks lassen sich leicht vervielfältigen, was selbst für DRM-geschützte Elektrobücher gilt, wenn man höheres technisches Verständnis als eine gemeine Hausratte hat. Autoren und Verlage werden – genau wie Musiker und Plattenfirmen – im großen Stil betrogen, was zwar bislang vor allem die in Bestsellerlisten vertretenen Titel betrifft, wahrscheinlich aber über kurz oder lang auch die Zweite-/Dritte-/Amateur-Liga-Autoren erreichen wird. Die Digitalisierung ist aus Sicht der Hersteller also in erster Linie ein Rückschritt. Zwar fallen einige logistische Komponenten weg (Druck, Lagerhaltung, Auslieferung, Präsenzbuchhandel), aber auch die ökonomische Kontrolle über das Produkt ist dahin, während man bei jedem einzelnen gedruckten Buch verfolgen kann, ob und wo es verkauft wurde oder nicht. Man verdient vor dem Hintergrund der aktuellen Preisgestaltung zwar ein paar Cent mehr als am gedruckten Buch, aber das wird von der Piraterie in einem Haps wieder aufgefressen. Sonstige Vorteile hat das eBook aus dieser Perspektive nicht. Auch hier muss im Vorfeld lektoriert und ausgestattet werden, und selbst der Satz fällt an, wenn auch in etwas geringerem Maß. Natürlich kostet das einzelne verkaufte eBook fast nichts mehr in der Herstellung (weil es nicht existiert), da einfach nur Daten kopiert werden müssen, aber es entsteht durch illegale Kopien dennoch ein Schaden in Form von verlorengegangenen, ergo fehlenden Einnahmen (und übrigens kostet ein Taschenbuch mit hoher Auflage in der Herstellung auch nur ein paar Cent). Einige Schlaumeier meinen, man könne dem beikommen, indem man die eBook-Preise deutlich senkt oder eBooks kostenlos zum gedruckten Buch dazugibt, aber ich meine, dass man nicht klaut, weil der Preis der legalen Version zu hoch ist, sondern weil die illegale Version einfach nichts kostet. Nichts ist immer weniger als etwas. Außerdem ist der Diebstahl faktisch risikolos. Der Vergleich zur Musikindustrie hinkt allerdings an einer wesentlichen Stelle: Musikkonserven konsumiert man in aller Regel häufiger, Bücher werden meistens nur einmal gelesen. Während also Musikdiebe möglicherweise irgendwann eine legale Kopie nachkaufen, werden das Leute, die einen geklauten Roman gelesen haben, nur ausnahmsweise tun. Und während Musiker möglicherweise einen Teil der Verluste durch Auftritte ausgleichen können, so sie eine Form von Musik produzieren, die sich live reproduzieren lässt, werden Mittelfeld-Autoren für fünf oder sechs Lesungen pro Jahr gebucht, wenn sie Glück haben. Dem Verlust steht also nichts gegenüber. Originelle Geschäftsmodelle wie so genannte „Kultur-Flatrates“ sind, wie alle Pauschalangebote, Betrug am Normalnutzer, und bei denjenigen, die die Bücher geschrieben haben, kommt davon sowieso nichts an.

Aus Autoren- und Verlagssicht sind eBooks also nichts weiter als eine Katastrophe. Deshalb geben sich viele Verlage zurückhaltend, was diese Entwicklung anbetrifft. Die Preise für eBooks liegen in der Nähe der Preise für gedruckte Fassungen, um nur wenige Anreize zu bieten, die Elektroversion zu kaufen. Einige Verlage verzichten vorläufig noch völlig auf dieses Segment. Einige Autoren – durchaus auch namhafte – haben versucht, eBook-Fassungen ihrer Bücher zu untersagen.

 

Ganz anders stellt sich das dar, wenn man einen kleinen eBook-Verlag betreibt oder als Autor seine Bücher selbst auf diesem Weg herausgibt, was praktisch ohne finanziellen Aufwand möglich ist. Aus Sicht dieser Leute sind eBooks eine sensationelle Entwicklung, von der sie sich inständig wünschen, sie würde sich noch weiter verstärken, denn diese Menschen glauben, dann würden sich auch ihre Bücher besser verkaufen. Aus dieser Gruppe stammen die Stimmen, die wütend und energisch auf entsprechende Kampfschriften reagieren. Was natürlich verständlich ist.

Nichtsdestotrotz ist die Annahme, die dahintersteht, wahrscheinlich falsch.

 

Es ist sehr aufwendig, ein Buch herzustellen. Zehn-, hunderttausende Autoren „bewerben“ sich jährlich bei den Verlagen mit ihren Ergüssen, und einer von tausend schafft es. Das ist keine sehr prickelnde Quote, aber dennoch sieht der deutsche Markt Jahr für Jahr gut 100.000 belletristische Neuerscheinungen, davon ein Gutteil aus der Feder deutscher Autoren. Ungefähr tausend Mal so viele Exemplare werden gekauft, Fensterkreuz mal Pi 100.000.000 Stück (Einhundertmillionen oder eine Zehntelmilliarde) – pro Jahr. Das klingt viel, aber das meiste davon sind so genannte „Backlist-Titel“, also lange vorher publiziert worden – die Leute kaufen nämlich keineswegs nur Neuerscheinungen. Es sind also nur wenige hundert Exemplare, die theoretisch je Titel abgehen, und die Anzahl der verkauften Bücher steigt nicht mit der Anzahl der Neuerscheinungen. Tatsächlich verkaufen sich einige Veröffentlichungen sehr gut (richtig – diejenigen, die es auf die Bestsellerlisten schaffen) – und die meisten anderen kaum. Viele fast überhaupt nicht. Anders gesagt: Eigentlich braucht der Markt diese große Anzahl Neuerscheinungen nicht. Sie werden trotzdem publiziert, weil man erstens Bestseller nur selten vorhersagen kann und es zweitens selbst den Verlagen auch um Vielfalt geht. Bestseller finanzieren beispielsweise anspruchsvolle Literatur mit niedrigen Auflagen.

Von den 999 abgelehnten Autoren wiederum sind mindestens 900 nicht so gut, um es mal vorsichtig zu sagen. Einige sind vielleicht zu eigenwillig für die Publikumsverlage, liegen thematisch neben allen Trends, wären zwar gut, aber zu uninteressant für ein großes Publikum usw. usf.

 

Diesen Autoren – und fraglos auch anderen, die zwar Verlagskandidaten wären, diesen Weg aber nicht gehen wollen – bietet das eBook die Chance, trotzdem Leser zu erreichen. Es hat zudem den Vorteil, dass es ohne zeitlichen Vorlauf auf den Markt geworfen werden kann. Im Extremfall tippt man „Ende“ unter ein Manuskript und lädt es noch am gleichen Tag in die Publikationsplattform. eBooks müssen auch keine Mindestlänge haben, wohingegen sich Verlage nur ausnahmsweise dazu hinreißen lassen, Texte zu veröffentlichen, die weniger als 200 Seiten umfassen. Miniserien, Kurzgeschichten, Kommentarsammlungen, Sachtexte, sogar Lyrik – eBooks bieten die Spielwiese, auf der man eine Menge ausprobieren kann (auf der allerdings die Konkurrenz kostenloser Web-Angebote groß ist). Erotik als Elektrobuch hat auch für Leser Vorteile, wenn er denn diese Erotik in der Öffentlichkeit lesen möchte, ohne zu verraten, was da geschmökert wird. Und der Lebensabschnittspartner erfährt es auch nicht. Erotische eBooks (die meistens sind nicht wirklich erotisch) sind folgerichtig überdurchschnittlich erfolgreich, selbst von absolut unbekannten Autoren. Aber es gibt auch andere Genres, die ein paar Schriftsteller gewinnbringend mit reinen Elektropublikationen beackert haben. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Amazon diesen Bereich intensiv fördert, um die Marktführerposition zu halten. Der Versandriese unterstützt einige eBook-Selbstveröffentlicher mit großem Aufwand. Er ist in diesem Bereich Quasi-Monopolist.

 

Das Gros der Leute, die eBook-Selbstpublikationen nutzen, gehört zu den magischen 900. Sie wissen das natürlich nicht oder wollen es nicht wissen, aber sie hauen da im Minutenrhythmus ganz unglaublichen Schrott raus. Um hier gegenzusteuern und mit dem eigenen Angebot nicht unterzugehen, gründen die anderen eBook-Autoren Verlage (!) oder Gruppen, die Qualitätssiegel verleihen. Und sie versuchen natürlich alles, um Leser davon zu überzeugen, das Medium zu wählen, in der Hoffnung, mit der Menge der eBook-Leser auch eine größere Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte zu erzeugen. Aus diesem Grund sprechen sie auch unaufhörlich von Dinosauriern, Ewiggestrigen, Zeichen-der-Zeit-Nichterkennern und so weiter. Sie wünschen sich, eine selbsterfüllende Prophezeiung auszusprechen.

 

Deshalb diese energische Diskussion. Die interessant ist und Spaß macht, viel mehr aber auch nicht. Den Leser interessiert sie kaum. Er wird sich anschauen, was es gibt, es ausprobieren, und sein Verhalten entsprechend anpassen – oder auch nicht. Er wird das nach einer Weile wiederholen. Oder auch nicht. Sehr viele Menschen – die Mehrheit – lesen sowieso nur ein, zwei, drei Bücher im Jahr.

 

Dieses Entweder-Oder hat also wenig Sinn. Sinnvoll wäre es, an den Nachteilen der Innovation zu arbeiten. Um anschließend abzuwarten, wie sich die Konsumenten verhalten werden. Die sich nicht von solchen Disputen irritieren lassen sollten (was sie sehr wahrscheinlich auch nicht tun). Man trifft keine unmoralische Entscheidung, wenn man ein eBook oder ein gedrucktes Buch kauft. Die trifft man nur, wenn man das eine oder andere klaut. Was bitte zu unterlassen ist. Danke.

Neverending Radio Nights

An das Gefühl – die Gefühle – kann ich mich noch sehr gut erinnern. Als ich das fertige Manuskript abschickte. Als mein Agent anrief, um mir mitzuteilen, dass er den Text sehr mochte. Als er abermals anrief, um mir anzukündigen, dass es einen Gesprächstermin bei „Aufbau“ gäbe. Als ich dort saß, vor dem Programmleiter und meinem zukünftigen Lektor, und mich ungläubig in einem richtigen Buchverlag umschaute, der wahnsinnigerweise ein Buch von und mit mir machen wollte. Als ich die Verträge unterschrieb (übrigens, ohne sie gelesen zu haben). Als ich die ersten Coverentwürfe sah. Als ich mit meinem Lektor unermüdlich endlose Gespräche führte, über Figuren, Schauplätze, die Anordnung von Kapiteln – und all das immer noch für einen absurden Traum hielt. Als ich erstmals Danksagungen verfasste. Als ich die erste Verlagsvorschau erhielt, in der ein Roman von mir angekündigt wurde. Als die Fahnen kamen. Als die Belegexemplare geliefert wurden. Als die erste Besprechung erschien (in einem Frauenmagazin namens „Allegra“). Als ich hypernervös und psychisch wie physisch völlig am Ende nach zwanzig angstvoll durchwachten Nächten vor dem Buchpremierenpublikum saß und aus meinem ersten Roman vorlas. Als die ersten Leserbriefe eintrafen.

Ich habe jetzt, in diesem Augenblick, während ich das hier schreibe, eine mordsmäßige Gänsehaut. Zwischen meinem ersten fiktionalen Text und der Veröffentlichung meines ersten Romans lagen 25 Jahre. Als es dann tatsächlich passierte, war das weit mehr als nur die Erfüllung eines Traums. Mir fällt leider kein Vergleich ein, der funktionieren könnte. Es ist nicht in Worte zu fassen. Und ich werde es ganz sicher nie vergessen, jedenfalls so lange nicht, wie ich über ein funktionierendes Gedächtnis verfüge.

Nicht nur deshalb liegt mir mein Erstling „Radio Nights“ sehr am Herzen. Wann immer ich dieses Buch zur Hand nehme, um ein paar Seiten zu lesen, kann ich mich leicht in die damalige Stimmung versetzen. Ich weiß noch, wo ich was geschrieben habe, und wann, oder welche Realpersonen für welche Romanfiguren Pate standen. Ich weiß noch, wie energisch und ehrgeizig und auch naiv und überzogen erwartungsvoll ich damals war. Wie die Gespräche verliefen, die ich mit befreundeten Autoren rund ums Manuskript führte. Wie sehr ich mich in Donald, Lindsey, Frank, Hagelmacher, Liddy und all die anderen Figuren verliebt habe. Die auch jetzt noch, über zehn Jahre danach, wie alte, lange nicht mehr getroffene Freunde in meinem Kopf herumspuken. Manchmal, wenn ich Radio höre, frage ich mich, was Donald „Don FM“ Kunze wohl zu dem sagen würde, was da gesendet wird.

Und deshalb freut mich außerordentlich, dass der Aufbau-Verlag im Jahr 2014 eine weitere Neuauflage dieses Romans publizieren wird. Es ist nach 2008 schon die zweite Neuauflage, und damit die fünfte insgesamt. Es ist nicht selbstverständlich, dass Romanen, die keine Bestseller waren, verlagsseitig so lange die Treue gehalten wird. Und es ist sehr schön, zu wissen, dass auch in Zukunft noch Menschen dieses Buch, meinen ersten Roman, in die Hand nehmen, kaufen und lesen können, um gleich zweimal zu erfahren, wie bedeutsam Lebensträume sein können, sind und sein sollten.

Und so wird es aussehen:

„Leichtmatrosen“ vielleicht bald im Kino!

Es gibt sie, die selbsterfüllenden Prophezeiungen. Vor nicht ganz drei Monaten schrieb ich den aktuellen Begrüßungstext für meine Site, in dem ich davon schwätze, dass mir noch eine Verfilmung fehlt.

Tja, und inzwischen sind sie unterschrieben, die Options- und Filmrechteverträge. Mit etwas Glück kommen Patrick, Simon, Henner und Mark in zwei, drei Jahren in die Kinos. Nach passenden Regisseuren und Drehbuchautoren wird bereits gesucht. Ob und wann es mit den Dreharbeiten losgeht, entscheidet sich dann im Sommer 2014. Das ist für die Branche ziemlich fix; vier, fünf, sechs Jahre Vorbereitungszeit sind keine Seltenheit.

Jahu!

Wenn sich jetzt noch Jürgen Vogel für die Rolle des Simon begeistern lässt, bin ich restlos glücklich. 😉

Feinkörnig! :)

Seit dem 15. April ist mein neuer Roman „Leichtmatrosen“ auf dem Markt, als Klappbroschur, eBook und Hörbuch-Download. Ich bin überrascht und beglückt von der großartigen, überwiegend sehr positiven Resonanz, und möchte mich auf diesem Weg bei allen bedanken, die Leserbriefe und Rezensionen geschrieben haben. <kotau> Es gab auch schon wunderbare Presse, derzeit stehen Lesungstermine in Berlin, Neustrelitz, Herbrechtigen, Crimmitschau und Grünwald an – weitere werden folgen. Updates und Rezensionen sind, wie immer, hauptsächlich auf Facebook zu finden.

Das Leben ist eine Schleuse! 🙂

Herzlich,
Tom Liehr

„Selfpublishing“

„Selfpublishing“ (also „Selbstveröffentlichung“) ist das aktuelle Schlagwort, wenn es um Alternativen zum vermeintlich verkrusteten Verlagswesen geht. Systematiken wie Amazons „Kindle Direct Publishing“ (KDP) gestatteten es nicht nur neuen Autoren, ihre Texte – von der Kurzgeschichte bis zum vielbändigen Roman – kostenlos und in kurzer Zeit zu veröffentlichen, was derzeit sehr, sehr viele Autoren tun, und ein paar von ihnen verblüffend erfolgreich. Warum ich diese Möglichkeiten dennoch kritisch sehe, erläutere ich in einem Beitrag im „Literaturcafé“, der seit seinem Erscheinen vor knapp zehn Tagen bereits mit über 50 Kommentaren versehen wurde. Die Antwort auf diese Kommentare folgt in den nächsten Tagen. Hier geht’s zum – etwas provokanten – Beitrag:

Tom Liehr: »Selfpublishing ist keine Alternative – und erst recht kein Allheilmittel«