Ferien mit Faschisten – meistens ein Fehler, als Buch aber keiner

Im Herbst 2020 habe ich auf „Spiegel Online“ eine bemerkenswerte Reportage gelesen – „Mein Urlaub mit Neonazis auf dem Bauernhof“ von Haiko Prengel. Die Reportage hat mich inspiriert, und aus der Inspiration ist erst die Story „Ferien mit Faschisten“ und jetzt ein Buch geworden, wenn auch ein kleines, aber dafür hinreißend schönes. Und sehr lustiges, aber nicht nur – das Lachen bleibt einem, wie mir berichtet wurde, hin und wieder im Hälslein stecken.

Das kleine, feine Buch erscheint als 60-seitiges „booklit“, als eine Art Pixie-Buch für Erwachsene, und zwar im Rahmen der 32. Staffel solcher Bücher, die der großartige Lou Probsthayn in seinem „Literatur Quickie Verlag“ veröffentlicht. Es kostet einzeln nur 3 €, aber die gesamte Staffel lohnt sich natürlich auch – 5 solcher Bücher für zusammen nur 15 €. Hier kann man die Staffel oder einzelne Bücher jetzt schon vorbestellen. Und so sieht es aus (das Cover ist von Ekaterina Tangian).

Immer Freitags, ab November ’22

Hach, wie ist das schön. Dieses Cover, beispielsweise, echt zum Niederknien.  Oder dass ich diese Geschichte schreiben durfte. Oder wie hinreißend alle bei Aufbau zu mir sind.

Es ist schon mein zwölfter Roman, er erscheint im November 2022, und er erzählt die Geschichte von Marie und Clemens Freitag, also von den Freitags, die freitags immer zu ihrem Lieblingsitaliener gehen, zu Paolo. Seit ihrem Kennenlernen vor zwanzig Jahren sind sie das ideale Paar, werden von allen beneidet und leben vor, wie Liebe sein kann. Bis sie auf einmal feststellen, dass sie eigentlich längst nicht mehr da ist, diese Liebe …

Ich freue mich wie eine Tüte Nudeln auf dieses Buch und über dieses Cover und übrigens ganz besonders darüber, dass mein guter Freund, der Comedian Thomas Nicolai, das Hörbuch sprechen wird. Wenn bis zum Herbst also nicht die Welt völlig aus den Angeln gehoben wird – freut Euch mit mir! 🙂

(Und, nein, im Titel dieses Beitrags ist kein Schreibfehler.)

PEN Berlin – ich bin dabei

Als das PEN-Zentrum Deutschland im Mai 2022 in Gotha tagte, sollte dort u.a. über meinen Zuwahlantrag entschieden werden. Dazu kam es aufgrund der Turbulenzen rund um die Präsidentschaft von Deniz Yücel dann leider nicht mehr. Ein ziemlich rasant herbeigeführtes, aber nicht unbedingt erwartetes Ergebnis dieser Turbulenzen war am 10.6.2022 die Neugründung des „PEN Berlin“, bei der ich dabeisein durfte. Wenn sich die Turbulenzen gelegt haben, wird sich der neue PEN hoffentlich in erster Linie seiner Hauptaufgabe widmen können, nämlich dem Schutz der Freiheit des Wortes und jener, die in Gefahr geraten, weil sie diese Freiheit für sich in Anspruch zu nehmen versucht haben. Diese Aufgabe ist jederzeit von enormer Wichtigkeit, aber derzeit in ganz besonderer Weise.

Servus.

(Dieser Text ist als Einstiegstext verankert – aktuelle Beiträge findet Ihr weiter unten.)

Im März 2003 ist mein erster Roman – „Radio Nights“ (Aufbau) – erschienen, seit November 2022 ist der zwölfte auf dem Markt: „Freitags bei Paolo“ (Aufbau). Alle älteren Bücher sind immer noch erhältlich, also auf der so genannten „Backlist“. Die übernächsten sind in Vorbereitung, und Ideen für mindestens ein Dutzend weitere sind notiert.

Während dieser Jahre ist eine Menge passiert. Ich habe zig Lesungen gehalten (einige sollen sogar, hört man, recht interessant gewesen sein), habe hunderte Leserbriefe bekommen (und die meisten beantwortet), war in Presse, Funk und Fernsehen, wurde ein paar Dutzend Male interviewt. Google liefert eine Achtelmillion Treffer, wenn man meinen Namen eintippt. Okay, ein paar davon verstehe selbst ich nicht. Aber – immerhin. Ein Buch – „Geisterfahrer“ (2008) – ist auf Französisch erschienen, von diesem Titel wird es (siehe unten) außerdem bald eine Comic-Version geben. Ich durfte viele Sachbeiträge verfassen, darunter für die „Zitty“, den „Standard“ und das Magazin „DATUM – Seiten der Zeit“. In diversen Anthologien wurden Texte von mir publiziert. Die meisten meiner Romane gibt es auch als Hörbücher, von tollen Schauspielern wie Steffen Groth, Martin Bross, Jona Mues, Jan Viethen und Thomas Nicolai eingesprochen. Die Verfilmung von „Leichtmatrosen“ hat im Sommer 2016 stattgefunden, und das Ergebnis mit Golo Euler, Stefan Százs, Gabriel Merz und Susanne Bormann in den Hauptrollen war im Sommer 2017 in der ARD zu sehen (und wuselt seither immer mal wieder durch die dritten Programme und ARD-Mediatheken).

Was ich sagen will: Ich bin dann wohl Schriftsteller. Wenn man in eine Buchhandlung geht und einem Mitarbeiter meinen Namen langsam buchstabiert, bekommt man sehr wahrscheinlich die Wegbeschreibung zu einem Regal, in dem ein, zwei Romane von mir stehen. Vielleicht sieht man sogar welche auf einem Stapel liegen. In vielen Büchereien dürfte es sich ähnlich verhalten. Leute – denen ich dankbar bin – haben einen Wikipedia-Beitrag verfasst. Ich wurde für Blurbs angefragt – das sind die Kurzzitate auf der Rückseite von Büchern anderer Autoren (etwa „Prima Buch“ – Tom Liehr). Storys wurden vertont, zum Beispiel vom Deutschlandradio.

All das ist immer noch sehr seltsam, und ich warte nach wie vor darauf, dass jemand hinter einer Hausecke hervorspringt und „War nur ein Scherz!“ kräht. Ehrlich. Es ist ein großes¸großes Glück und nahezu ein legitimes Wunder, dieser Arbeit nachgehen zu dürfen – und das auch noch relativ erfolgreich. Weil diese Arbeit irren Spaß macht.

Und das habe ich Euch zu verdanken. Also, hey: Danke!

Tom Liehr - Foto © Susanne Schleyer/Autorenarchiv.de, Weiterverwendung streng untersagt!
Tom Liehr – Foto © Susanne Schleyer/Autorenarchiv.de, Weiterverwendung streng untersagt! (So habe ich übrigens vor ungefähr 15 Jahren ausgesehen.)

Herzlich,
Tom

Späte Ehre für „Pauschaltourist“

Nach „Idiotentest“ ist nun auch „Pauschaltourist“ (2009) von Jona Mues für „Fine Voices“ ganz hinreißend eingelesen worden. Das Hörbuch gibt’s bei Spotify, Deezer, Apple und bei Audible – nähere Infos hier. Die politisch nicht immer korrekte, recht amüsante Geschichte um den Reisejournalisten Nikolas Sender, der mit seiner burschikosen und unter Flugangst leidenden Kollegin Nina Blume in die Pauschalhöllen rund ums Mittelmeer geschickt wird, passt möglicherweise nicht ganz präzise in die Jahreszeit, aber vielleicht nährt sie die Hoffnung darauf, dass der nächste Sommerurlaub irgendwie stattfinden kann, unter dem Motto: „Willkommen in meinem Land!“ Enjoy! 🙂

Mal was Lürisches …

Wer sich in diesem Text wiederfindet, darf sich behalten. Der gelegentlich genannte Sack ist metaphorisch und nicht anatomisch gemeint. Weil dieser Text eine nahezu lyrische Form hat, habe ich ihn entsprechend betitelt. Ich bin kein Lüriker und entschuldige mich vorsorglich für die Anmaßung.

Sackgedicht

Mir gehen Leute auf den Sack, die sich für besser als alle anderen halten. Mir gehen Leute auf den Sack, die meinen, mehr Rechte als andere zu haben. Mir gehen Leute auf den Sack, die sich selbst überhöhen, weil sie annehmen, ihr persönliches Schicksal oder das einer Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, würde das legitimieren.

Mir gehen einige Leute mit heller Hautfarbe auf den Sack, aber nicht wegen ihrer Hautfarbe. Mir gehen einige Leute mit dunkler Hautfarbe auf den Sack, aber nicht wegen ihrer Hautfarbe. Mir gehen Leute auf den Sack, die die Hautfarbe für relevant halten, wenn es um die Bewertung von Menschen oder ihrer Äußerungen geht. Mir gehen Leute auf den Sack, die Menschen bewerten. Mir gehen Leute auf den Sack, die denken, man würde sie oder ihre Merkmale bewerten, wenn man erklärt, dass sie einem auf den Sack gehen.

Mir gehen einige Leute auf den Sack, die homosexuell oder bisexuell sind, aber nicht, weil sie homosexuell oder bisexuell sind. Mir gehen einige Leute auf den Sack, die heterosexuell oder asexuell oder metrosexuell sind, aber nicht, weil sie heterosexuell, asexuell oder metrosexuell sind. Mir gehen bemerkenswert viele Leute auf den Sack, von denen ich die sexuelle Orientierung nicht kenne und deren sexuelle Orientierung mich auch nicht interessiert. Mir gehen Leute auf den Sack, denen die sexuelle Orientierung bei Fragen nicht egal ist, die nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun haben.

Mir gehen einige Frauen auf den Sack und nicht wenige Männer, aber nicht, weil sie Männer oder Frauen sind. Mir gehen möglicherweise einige Menschen auf den Sack, die Transpersonen sind, aber nicht deshalb. Mit gehen Leute auf den Sack, die das Geschlecht bei Fragen für relevant halten, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben.

Mir gehen Leute auf den Sack, die meinen, Identität ließe sich auf wenige Merkmale reduzieren. Mir gehen Leute auf den Sack, die glauben, man könne Menschen über sehr grobe Kämme scheren. Mir gehen Leute auf den Sack, die vorurteilsbehaftetes Handeln mit dem Kampf gegen Vorurteile begründen. Mir gehen Leute auf den Sack, die ein privilegiertes Schicksal unterstellen, ohne das jeweilige Schicksal zu kennen.

Mir gehen einige Leute auf den Sack, die Christen, Muslime, Juden, Buddhisten, Scientologen oder Angehörige irgendeiner anderen Religion oder Sekte sind, aber nicht, weil sie Christen, Muslime, Juden, Buddhisten, Scientologen oder Angehörige irgendeiner anderen Religion oder Sekte sind (okay, Scientologen sind eine Ausnahme). Mir gehen Sekten und Religionen auf den Sack, aber das ist hier nicht das Thema. Mir gehen auch einige Atheisten und Agnostiker auf den Sack, aber nicht, weil sie Atheisten oder Agnostiker sind. Mit gehen allerdings alle Mitglieder religiöser Gruppen auf den Sack, die ihre Religion oder Gruppenzugehörigkeit als Rechtfertigung für die Anwendung von Gewalt betrachten. Doch, es ist hier auch Thema, dass mir Sekten und Religionen auf den Sack gehen.

Mir gehen Leute auf den Sack, die die Regeln und Grundsätze ihrer eigenen Gruppe allen anderen Menschen zur Vorschrift zu machen versuchen. Mir gehen Leute auf den Sack, die sich hinter Gruppen verschanzen. Mir gehen Leute auf den Sack, die anderen Menschen erklären, wie sie sich zu fühlen und zu verhalten haben, nur weil sie die gleichen Merkmale wie diese aufweisen. Mir gehen Leute auf dem Sack, die sich als Anwälte anderer inszenieren, ohne ein Mandat zu haben. Mir gehen Leute auf den Sack, die Allgemeingut wie die Sprache politisch zu instrumentalisieren versuchen – und vorgeben, es würde sich dabei um einen natürlichen Prozess handeln. Mir gehen Leute auf den Sack, die anderen vorschreiben, wie sie sich auszudrücken haben. Mir gehen Leute auf den Sack, die andere bedrohen, weil sie nicht ihren Vorstellungen entsprechend formulieren oder mit ihrer Kunst den falschen Standpunkt zu unterstützen scheinen, und sei es in ironisierender Form. Mir gehen Leute auf den Sack, die ihre moralische Position für die einzig richtige halten. Mir gehen selbstgerechte Leute auf den Sack.

Ich gehe mir manchmal selbst auf den Sack.

Mir gehen Leute auf den Sack, die an Shitstorms teilnehmen, und dabei so tun, als wären sie nicht gewalttätig. Mir gehen Leute auf den Sack, die mit Gewalt drohen, wenn man sich nicht freiwillig ihrer Meinung oder Haltung anschließen will. Mir gehen Leute auf den Sack, die das Ergebnis einer gewaltsamen Durchsetzung als friedlichen Sieg feiern. Mir gehen Leute auf den Sack, die ihre Siege in Meinungsfragen feiern.

Mir gehen Leute auf den Sack, die meinen, etwas über andere zu wissen, obwohl sie nur einige wenige Merkmale sehen. Mir gehen Leute auf den Sack, die jubeln, weil sie andere irgendwelchen Ismen zuordnen können, was sie an einigen wenigen Merkmalen festmachen. Mir gehen Leute auf den Sack, die Meinungen ablehnen und daraus eine Ablehnung der meinenden Personen formen, wofür sie dann bei anderen werben, die mir auch auf den Sack gehen.

Mit gehen ausnahmslos alle Nazis auf den Sack.

Ich würde niemals einem Menschen Gewalt androhen oder antun, nur weil er mir auf den Sack geht.

Und die meisten Menschen mag ich sehr gerne.